Corynephoretalia canescentis // Silbergrasfluren, Entkalkte Sandtrockenrasen

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Beschreibung

Standort und Entstehung von Silbergrasfluren

Silbergrasfluren sind lückige Pionierrasen, die sich auf trockenen, vollsonnigen Sandblößen vielerorts rasch und spontan einstellen. In der Regel werden sie aber mit zunehmendem Flächenschluss schon bald von langlebigeren Vertretern der Trockenrasen abgelöst. Nicht selten ist schon im dritten Jahr das Silbergras nur noch in Einzelexemplaren vertreten. Lediglich bewegte Dünenstandorte können in Mitteleuropa auf der südexponierten Sonnenseite über viele Jahre in diesem vegetationsarmen Pionierstadium verharren. Auch die Beweidung ärmster Sandstandorte mit Ziegen und Schafen kann für ein dauerhaftes Verharren im Silbergrasstadium sorgen.



Dieser Standort befindet sich in einer Waldschneise einer Stromtrasse. Der aufkommende Kiefern-Jungwuchs wird regelmäßig beseitigt und die wiederkehrenden Bodenverletzungen halten seit Jahren ein Mosaik aus Silbergrasfluren und Besen-Heide-Flächen offen. Im Vordergrund erkennt man zwischen dem Silbergras die Rosetten des Kleinen Habichtskrauts.

Urwüchsige Silbergrasfluren sind selten und unterliegen dem gesetzlichen Biotopschutz. Sie sind in der fast überall waldfähigen Naturlandschaft Mitteleuropas schon immer auf Extremstandorte und auf dynamische Landschaftsprozesse angewiesen, die in einer intensiv genutzten Kulturlandschaft kaum toleriert werden. Auch die nach wie vor hohe Exposition von Luftstickstoffen bedroht durch schleichende Eutrophierung die auf stickstoffärmste Bedingungen angewiesenen Magerrasen.

Häufiger stellen sie sich sogar auf menschengemachten Ersatzlebensräumen ein. Brachgefallene Sandäcker, Kiesgruben, flächige Sandschüttungen oder offene Sandflächen im Zuge von Baumaßnahmen können für zwei oder drei Jahre von Silbergrasfluren erobert werden. Meist spielen hier aber aufgrund des höheren Stickstoffgehaltes der Substrate Ruderalpflanzen eine bedeutende Rolle.



Ansicht einer bewegten Flugsanddüne im Nord-Osten Brandenburgs, deren extreme Standortbedingungen dauerhaft einen fast reinen Einartbestand des Silbergrases ermöglichen.

Eng verwandt sind die v.a. osteuropäisch optimal entwickelten Sandsteppen-Gesellschaften (Festuco-Sedetalia), die in Mitteleuropa lediglich einige Vorpostenvorkommen hat. Sie bilden aber bereits deutlich dichtere Vegetationsstrukturen und lösen in der Sukkzessionsreihe oftmals das Pionierstadium der Silbergrasfluren ab.

Auf flachgründigem Felsgrus, über Felsbändern und auf Felsköpfen entwickeln sich Mauerpfeffer-Gesellschaften (Sedo-Scleranthetalia). Sie sind natürlicherweise gehölzfrei und in diesem Sinne Dauer-Pionierstadien.



Fortgeschrittenes Sukkzessionsstadium in einer sehr extensiven Rinderweide mit Hasenklee und Sand-Strohblume. Das Silbergras ist bereits weitgehend verdrängt und es kommen Arten des mesophilen Grünlandes wie der Straußblütige Sauerampfer und die Gemeine Schafgarbe auf.

Silbergrasfluren in der Gartengestaltung

Eine Silbergrasflur ist im Prinzip die Variation eines Kiesgartens. Sie verströmt eine warme Atmosphäre und bietet fast das ganze Jahr über eine interessante Flächenstruktur. Dazu tragen die winterzierenden Samenstände der Silbergras-Matrix und die wintergrünen, im Herbst blau-silbrig neu austreibenden Silbergrasblätter bei. Auch der Hasenklee hat winterzierende Samenstände und die silbrigen Rosetten der Sand-Strohblume sind eine winterliche Augenweide. Die Zypressen-Wolfsmilch sorgt für die ersten Farbtupfer im Frühling, ihre Samenstände verfärben sich oft rötlich und halten bis in den Herbst, wenn sich ihr Laub gerne gelb-orange verfärbt. Der Blütenhöhepunkt wird im Juni/Juli erreicht. In Ermangelung geeigneter Frühlingsgeophyten gibt es mit der allmählichen Auflösung der Winterstruktur von etwa Mitte Februar bis zum Beginn der Wolfsmilch-Blüte Ende März eine kurze, minimale ästhetische Durststrecke.

Klassische Kiesgärten haben den optischen Vorteil, auf eine ästhetisch allgemein akzeptierte Bodenoberfläche aus Kieselsteinen zurückgreifen zu können. Diese stellt einen schönen, repräsentativen Hintergrund für die locker verteilten Einzelpflanzen dar. Für den Zweck einer naturidentischen Silbergrasflur kommt dies allerdings nicht recht in Frage. Denn Kies liegt in der Natur im Grunde nur in der Nähe kräftig bewegten Wassers - also an Meeresküsten oder im Überschwemmungsbereich von Fließgewässern der Bergregionen - offen zutage. Ein solcher Wasser-Bezug ist aber das Letzte, was eine überzeugende Silbergrasflur gebrauchen kann.



Nachbildung einer Silbergrasflur im Frühtau eines Aprilmorgens. Nach der Anlage im Früherbst des Vorjahres geht diese Fläche in ihr erstes vollständiges Vegetationsjahr. Die bultige Struktur der Silbergräser ist noch ideal ausgebildet und im Prinzip stehen auch alle anderen Pflanzen mit einem kleinen Abstand zueinander.  Der Schaf-Schwingel hat sich noch nicht versamt, wird aber schon im nächsten Jahr die Oberhand zu gewinnen. Die Zypressen-Wolfsmilch ist der erste Blütenaspekt des Frühlings und wird sich durch Ausläufer im Laufe des Jahres ebenfalls stark ausbreiten und muss entsprechend regelmäßig zurückgenommen werden.

Auch schottrige Bodenoberflächen, die sehr attraktive Bidler liefern, kommen für Silbergrasfluren nicht in Betracht, weil es fast keine basenarmen und trotzdem schottrig verwitternde Felsformationen gibt.

Größere, offene Sandflächen werden im Gartenkontext nicht positiv wahrgenommen. Echte, vegetationsarme Pionierstadien sind daher ungeeignete Zielzustände. Ideale Vorbilder für die Gartengestaltung sind dagegen Sukzessionsstadien, die sich mit einer nur leicht lückigen Vegetationsdecke im Übergang zu den relativ dichtrasigen Sandsteppen-Gesellschaften befinden.

Für die Glaubwürdigkeit der Anlage sind einzelne kleinere Sandblößen trotz der oben genannten Vorbehalte gegen Sand als sichtbare Bodenoberfläche wichtig. Sie fesseln das Auge als ungewöhnliche Sonderstruktur. Der Jäger und Sammler im Betrachter wird von Grenzlinienstrukturen magisch angezogen, weiß er doch, dass sich hier das Leben in besonderer Vielfalt tummelt. So ist es auch in diesem Falle, selbst wenn Sandbienen und -Wespen, sich sonnende Eidechsen und lauernde Spinnen nur bedingt unserem Beuteschema entsprechen.



Nachbildung einer Silbergrasflur im Frühsommer des dritten Standjahres. Der aus Selbstversamung mit Unterstützung durch Ameisen eingewanderte Acker-Wachtelweizen ist optisch immer ein Gewinn, gehört aber eigentlich in die Steppenrasen basenreicher Standorte. Einzelne kleinere Sandblößen sind ästhetisch gut akzeptabel, erhöhen die Strukturvielfalt und dienen der Glaubwürdigkeit ungemein.

Wer größere Flächen zur Verfügung hat, dem bieten sich durch die Einbindung jugendlicher Wald-Kiefern und Partien von Besen-Heide anregende Optionen zur Erweiterung der Strukturvielfalt. Das scheinbare Aufkommen von Baumjungwuchs erzeugt ein Spannungsfeld, weil es der Dynamik der Vegetationsentwicklung Ausdruck verleiht. Auch Betrachter, denen diese Vorgänge nicht bewusst sind, erspüren diese Spannung instinktiv. Junge Wald-Kiefern kann man durch jährlichen Rückschnitt der Neutriebe über einige Jahre kompakt halten. Alternativ kann man aber auch etwas schummeln und zwergwüchsige Auslesen verwenden. Der Purist wird aber echte Wald-Kiefern versamen lassen und jeweils die ältesten nach einigen Jahren entfernen, wenn sie zu groß geworden sind.

Ein charakteristisches Kennzeichen der Silbergrasfluren ist der bedeutende Anteil von Flechten und Moosen. Sie sind bei genauer Betrachtung von bizarrer Schönheit und ihre Anwesenheit in einer angelegten Silbergrasflur wäre ein Zeichen höchster Gartenkunst. Es kommt aber aus Naturschutzgründen keinesfalls in Frage, Moose und Flechten vom Naturstandort zu entnehmen. Hier heißt es, auf die Natur und die Zeit zu vertrauen und sich mit etwas Glück am Wunder des Lebens zu erfreuen.

Artenliste der Silbergrasfluren

Gestalterisch relevante Kennarten

Scharfer Mauerpfeffer (Sedum acre), Milder Mauerpfeffer (Sedum sexangulare), Silbergras (Corynephorus canescens), Hasenklee (Trifolium arvense), Sand-Thymian (Thymus serpyllum), Schaf-Schwingel (Festuca ovina)

davon Moose und Flechten: Kleine Endivienflechte (Cladonia foliacea), Frauenhaarmoos (Polytrichum piliferum), Floerkes Becherflechte (Cladonia floerkeana), Hornflechte (Cornicularia aculeata)

Getalterisch unbedeutende Kennarten

Kleiner Sauerampfer (Rumex acetosella), Sand-Segge (Carex arenaria), Rotes Straußgras (Agrostis capillaris), Feld-Beifuß (Artemisia campestris)

Typische, gestalterisch bedeutsame Begleiter

Sand-Strohblume (Helichrysum arenarium), Berg-Glöckchen (Jasione montana), Heide-Nelke (Dianthus deltoides), Wildes Stiefmütterchen (Viola tricolor), Zierliches Schillergras (Koeleria macrantha), Zypressen-Wolfsmilch (Euphorbia cyparissias), Besen-Heide (Calluna vulgaris), Arznei-Thymian (Thymus pulegioides),

davon wegen dominanter Entwicklungstendenzen nur auf echten Extremstandorten:

Tüpfel-Johanniskraut (Hypericum perforatum), Kleines Habichtskraut (Hieracium pilosella), Gemeine Schafgarbe (Achillea millefolium), Acker-Winde (Convolvulus arvensis) 



Sommeraspekt einer Nachbildung mit Heide-Nelke, Arznei-Thymian, Sand-Strohblume und Gewöhnlichem Hornklee, der aufgrund seiner sehr breite Standortamplitude aber nur bedingt charakteristisch ist.

Anlage und Pflege von Silbergrasfluren

Die Anlage einer Silbergrasflur kann nur erfahrenen Gestaltern empfohlen werden, da
  1. die Standortvoraussetzungen penibel und kompromisslos hergerichtet werden müssen,
  2. die Bepflanzung vollständig aus Saatgut oder mit selbst vorkultivierten Pflanzen erfolgt und
  3. sensibel erkannt werden muss, wann in die Dynamik der Gesellschaft dieser überwiegend kurzlebigen Pflanzenarten eingegriffen werden muss.

Die Bodeneigenschaften

Als Pflanzsubstrat eignet sich praktisch nur reiner, gewaschener oder ungewaschener Sand direkt aus der Kiesgrube. Dieser ist in der Regel nicht in Kontakt mit Stickstoffeinträgen gekommen bzw. wurden diese in tiefere Bodenschichten ausgewaschen. Die Bodenraktion ist unter Kulturbedingungen weniger relevant. Alle Arten - mit Einschränkungen bei den Moosen und Flechten - lassen sich im Zweifel problemlos auch auf basenreichen Substraten kultivieren.



Eine sonnige Sandböschung mit der für Silbergrasfluren typischen starken Präsenz von Flechten und Moosen, die auf solchen Extremstandorten mit Gefäßpflanzen wie hier dem Sand-Thymian, dem Kleinen Habichtskraut und dem Schaf-Schwingel konkurrieren können.

Der Wasserhaushalt

Neben der absoluten Stickstoffarmut ist der zweite relevante Standortfaktor der regelmäßig auftretende Trockenstress. Der Standort muss so hergestellt werden, dass sogar schon im Frühling mehrfach für einige Tage Wassermangel herrscht. Je nach Niederschlagsreichtum der jeweiligen Klimaregion muss also für angemessene Wasserabfuhr gesorgt werden. Im atlantischen Mitteleuropa können selbst 100 cm mächtige Sandauflagen auf einer ebenen Grundfläche zu frisch für eine Silbergrasflur sein. Hier wären zusätzlich Hanglagen erforderlich. Alternativ oder ergänzend kommt auch eine Begrenzung des Wurzelvolumens in Frage. Hierfür würde man eine Sandaufschüttung von z.B. 30 cm auf einem Wurzelschutzfließ aufbringen.

Die Lichtansprüche

Der dritte entscheidende Standortparameter ist die möglichst vollsonnige Lage. Das Mindeste sind sonnige Situationen, d.h. zumindest die Mittagssonne muss während der gesamten Vegetationsperiode über mehrere Stunden ungebremst einwirken können. Man ist in der Praxis immer wieder überrascht, wie schwierig diese Forderung zu erfüllen ist und wie weit entfernt Bäume und Gebäude dafür stehen müssen.

Die Bepflanzung

Eine Silbergrasflur lässt sich nicht mit kommerzieller Topfballenware pflanzen. Das liegt einerseits daran, dass eine Mehrzal der geeigneten Pflanzen gar nicht bzw. nur als Saatgut gehandelt wird. Andererseits würde der Eintrag von Einheitserde aus Topfballenware den Standort für immer ruinieren.

Glücklicherweise lassen sich praktisch alle relevanten Pflanzenarten zuverlässig aus Saatgut durch Direktaussaat etablieren. Der beste Zeitpunkt hierfür ist der Frühherbst. Praktisch alle Arten keimen ohne erforderlichen Kälteimpuls und haben bis zum ersten Sommer ausreichend Zeit, ein umfängliches Wurzelwerk zu entwickeln. Auf den oberflächlich rasch abtrocknenden Sanden ist es sehr hilfreich, wenn man während der Keimphase das Substrat mit Bewässerung feucht halten kann. Dies erhöht den Keimerfolg deutlich. Wer dies nicht gewährleisten kann, kann alternativ in Saatschalen in Sand vorkultivieren und im Herbst oder Frühling Jungpflanzen ausbringen.



Der Hasenklee erzeugt ausdauernd zierendes Trocken-Ambiente.

Das Pflegemaßnahmen

Eine Pflanzengesellschaft aus konkurrenzschwachen, kurzlebigen Arten ist in stetem Wandel begriffen. Ohne regelmäßige steuerende Eingriffe ist eine neu angelegte Silbergrasflur spätestens nach dem dritten Vegetationsjahr keine Silbergrasflur mehr. Wenn man die richtigen Schritte zur rechten Zeit unternimmt, ist der Pflegeaufwand aber nicht so hoch, wie man daraus schließen könnte.

Wenn der Standort wie oben beschrieben sorgfältig hergestellt wurde, werden die meisten Gartenunkräuter gar nicht erst keimen oder nur Kümmerexistenzen hervorbringen, die spätestens im Sommer absterben. Ausnahmen bestätigen die Regel: das Kanadische Berufskraut (Conyza canadensis) liebt offene Sandflächen und v.a. im ersten Jahr darf man mit kräftigem Aufkommen rechnen. Man kann sich damit trösten, dass mit jeder Berufskrautpflanze, die man beseitigt, zusätzlich Stickstoff abgeführt wird, was die Pflege langfristig erleichtert. Auch der Spitzwegerich ist ein Keimwunder ohne Gleichen.

In der Regel wird es ausreichen, eine Silbergrasflur im ersten Jahr dreimal und nachfolgend zweimal zu entkrauten. Davon sind nicht nur unerwünschte Wildkräuter betroffen, sondern auch die Zielpflanzen. Je nach Standort neigt mal die eine, mal die andere Art dazu, überhand zu nehmen. Notorische Kandidaten hierfür sind insbesondere Schaf-Schwingel (versamend) und Zypressen-Wolfsmilch (vegetativ). Aber auch das Silbergras tendiert in Kultur dazu, sich rasenartig zu versamen, was nicht dem natürlichen Vorbild bultiger Bestände entspricht. Entsprechend ist es die Aufgabe des Gestalters, nicht nur Wildkräuter, sondern v.a.  überzähliger Zielarten zu entnehmen. Nach jedem Pflegegang sollte jede Pflanze einen kleinen Abstand zu seinen nächsten Nachbarn haben.

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