Angelica sylvestris // Wilde Engelwurz, Wilde Brustwurz
Beschreibung
Naturstandort von Angelica sylvestris
Die Wilde Engelwurz ist in ganz Europa verbreitet und stellenweise auch häufig. Nach Osten reichen die Vorkommen über die Türkei, den Kaukasus und Zentral-Asien bis nach Sibirien (Karte der Gesamtverbreitung). Sie kommt von den Tiefebenen bis in hochmontane Lagen vor.
In Deutschland ist Angelica sylvestris in allen Naturräumen flächendeckend vertreten und mehr oder weniger häufig.
Im Groß-Seggen-Röhricht mit Echter Mädesüß und Blut-Weiderich
Die hinsichtlich der meisten Standortparameter sehr anpassungsfähige Art besiedelt eine Vielzahl mehr oder weniger sonniger, feuchter bis nasser Pflanzengesellschaften. Sie gilt dennoch als Kennart der Pfeifengras-Wiesen.
Daneben tritt die Wilde Engelwurz aber auch zuverlässig in nassen Hochstaudenfluren, Feucht- und Nasswiesen, nitrophile Giersch-Saumgesellschaften und lichte Stellen in Auwäldern.
Ökologische Zeigerwerte nach ELLENBERG ... zur Legende
Licht (7) Temperatur (-) Kontinentalität (4) Feuchte (8) Reaktion (-) Stickstoff (-)
Angelica sylvestris an einem Tiefland-Bach der Holsteinischen Geest
Beschreibung
Angelica sylvestris ist eine monocarpe, d.h. nach der ersten Blüte absterbende Staude. In der Regel blüht sie bereits im zweiten Standjahr. Unter ungünstigeren Bedingungen muss sie aber auch zwei oder drei Jahre Kraft für den eindrucksvollen Blütenstand sammeln.
Der Blütenstand mit dem manchmal purpur-rot überlaufenen oder gestreiften Blütenstengeln erscheint ab Mitte Juni bis Mitte August. Kräftige Exemplare erreichen Wuchshöhen von 160 bis 180 cm. Auf stickstoffarmen Böden bleibt sie mit manchmal weniger als 60 cm Höhe deutlich zierlicher.
Die weißen, nicht selten auch zart-rosa Blüten stehen in Doppeldolden deutlich über dem Laub. Die kleinen einzelblüten produzieren reichlich Nektar, der offen dargeboten wird und so auch für kurzrüsselige Insekten wie Fliegen erreichbar ist. Entsprechend reich und vielfältig ist der Insektenanflug.
Die Samenstände sind bis in den Frühwinter hinein strukturstabil und durchaus ansehnlich.
Am Wasserrand mit Gilb- und Blut-Weiderich.
Die Laubblätter sind zwei- bis dreifach gefiedert und kräftig grün. Die unteren Blätter können auf nahrhaften Standorten gut 50 cm Länge erreichen.
Die zweite in Mittelueropa heimische Engelwurz-Art ist Angelica archangelica. Sie ist insgesamt kräftiger und unterscheidet sich v.a. durch den grünlich-gelben Blütenflor.
Auch Angelica sylvestris lässt sich vielfältig in der Küche verwenden. Die Wurzeln werden für die Aromatisierung von Likören verwendet und junge Blätter und Stiele können als Salatbeilagen oder Gemüseeinlage in Suppen eingesetzt werden. Sie werden zudem kandiert zu Süßspeisen verarbeitet. Getrocknetes und pulverisiertes Kraut entfaltet Würzkraft.
Aus Wurzeln und Rhizomen werden ätherische Öle gewonnen, deren Wirksamkeit bei Beschwerden der Magen-Darm-Muskulatur anerkannt ist. Der volkstümliche Einsatz u.a. bei rheumatischen Beschwerden und Erkrankungen der Atemwege ist wissenschaftlich nicht belegt.
Angelica sylvestris entwickelt ansehnliche Samenstände
Verwendungshinweise
Angelica sylvestris wird in der Regel in Auslesen mit auffällig purpur-roten Blütenstielen und mehr oder weniger erkennbar rötlich überlaufenen Blättern kultiviert. Das ist in den meisten Fällen auch richtig so, selbst wenn die Wildform schon eine bemerkenswerte Erscheinung ist.
Durch die Kurzlebigkeit ist sie nicht sonderlich standorttreu, im Verbund mit ihrer Fähigkeit, sich meist zuverlässig selbst zu versamen, bringt sie dafür eine interessante Dynamik in die Pflanzflächen.
Stimmig ist sie v.a. in naturhaften Feucht- oder Nassfluren auf nahrhaften Substraten. Das gilt sogar für die rötlichen Auslesen. Gartenwürdige Partner in Hochstaudenfluren von Naturstandorten sind insbsondere Gelbe Wiesenraute, Echte Mädesüß, Sumpf-Wolfsmilch oder Echter Baldrian.
Alternativ bietet sich die Rote Engelwurz (Angelica gigas) zur Verwendung an. Mit ihren meist purpur-roten Blütenstengeln und Blüten ist sie die noch etwas auffälligere Erscheinung. Allerdings ist sie in der Kulturführung auch anspruchsvoller. Hochwüchsiger ist die ansonsten ähnliche Angelica dahurica aus Ost-Asien.
Im Kräutergarten ist die Wilde Engelwurz ebenfalls weder unter Zier- noch echten Nutzaspekten fehl am Platze.
'Vicar`s Mead' mit dunkel-rötlichen Blattstielen ist die Standard-Kulturform.
Kultur
Angelica sylvestris benötigt durch die Kurzlebigkeit ein wenig mehr Aufmerksamkeit, als man dies bei einer derart kräftigen Pflanze vielleicht auf den ersten Blick erwarten würde. In der Regel gelingt es ihr zwar, sich ohne weitere Hilfsmaßnahmen in feuchten bis nassen Pflanzflächen zuverlässig zu versamen. Allerdings kann ein trockenes Frühjahr eine kleine Garten-Population schon an den Rand des "Aussterbens" bringen.
Ansonsten wird außer ausreichend Licht und Wasser nichts weiter verlangt. In Kultur werden sogar nur frische Standorte toleriert, solange jeder Trockenstress vermieden wird.
An die Bodeneigenschaften werden keine unverhandelbaren Ansprüche gestellt, ideal sind aber humos-lehmige Substrate mit guter Wasserhaltefähigkeit. Je nahrhafter die Böden sind, desto kräftiger entwickelte Exemplare darf man erwarten. Je ärmer die Bedingungen werden, desto zierlicher bleiben die Pflanzen, ohne jedoch kümmerlich zu wirken.
Im Nutzgarten mit realen Verzehrabsichten kann man die Lebensdauer der Exemplare deutlich verlängern, wenn man den Blütenansatz frühzeitigst ausschneidet.
Samen fallen schon kurz nach der Reife in eine Keimruhe, die nur schwer zu brechen ist. Sie müssen aufwändig durch Vorquellen, eine nachfolgende vierwöchige Kaltlagerung bei 5-7 Grad sowie eine kurze Trockenphase vor der Aussaat reaktiviert werden. Alternativ kann das Saatgut im Keimbett einem Temperaturwechselregime von Tagestemperaturen von 30 Grad und Nachttemperaturen von 20 Grad unterzogen werden.
Sorten:
Ebony: Auslese mit braun-roten, kaum vergrünenden Blättern, rosa Blüten und im frischen Zustand purpurroten Samen
Vicar's Mead: Auslese mit tief purpurroten Stengeln, rosa Blüten und im frischen Zustand purpurroten Samen, im Austrieb bräunlich-rotes Laub, später vergrünend, relativ samenechte Versamung (Handelsstandard)